Der berühmte ungarische Wein Tokajer ist nach der Stadt Tokaj im Nordosten des Landes benannt. Das Weingebiet Tokaji-Hegyalja ist eine vulkanische Hügellandschaft, die Ausläufer der Karpaten gehen hier in die ungarische Tiefebene über. Durch den Schutz des Gebirges liegen die Tokajer Weinberge in einer klimatischen Nische. Im Herbst entsteht ein Mikroklima, das mit Feuchtigkeit und Nebel optimale Bedingungen für den Grauschimmel Botrytis cinerea bietet und dadurch die Entwicklung edelfauler Trockenbeeren begünstigt. Dies ist die Voraussetzung für die Erzeugung des edelsüßen Weines, der schon vor Jahrhunderten weltweit ein hohes Ansehen erlangte. Tokajer Essenz (Tokaji Essencia) wird aus dem sirupartigen Saft erzeugt, der sich durch das Eigengewicht handgelesener, edelfauler, rosinierter Ausbruch-Beeren am Boden eines Holzbottichs ansammelt. Dieser edle Tropfen wurde früher auch als heilend angesehen und in Apotheken als Arznei angeboten. König Ludwig XIV. pries Tokajer Essenz als “König der Weine und Wein der Könige” und ein Einkäufer des Zarenhofes hielt sich ständig im Produktionsgebiet auf. Gekrönte Häupter, wie Kaiser Franz Joseph von Österreich und Queen Victoria, beschenkten sich mit dem exklusiven, sehr kostspieligen Wein. Die Tokajer Weinberge waren früher weitgehend im Besitz des ungarischen Adels. Die Weinkeller der Region sind labyrinthartige Tunnelsysteme. Die Tokajer Essenz, mit einem extrem hohen Restzuckeranteil von mindestens 450g/l, kommt erst nach jahrelanger, langsamer Gärung und Reife in sehr geringen Mengen in den Handel. Üblicherweise wird sie aber zum Veredeln der qualitätsvollen, klassischen Tokajer-Variante Aszú (Ausbruch) verwendet. Beim Tokaji Aszú werden die edelfaulen Trockenbeeren der weißen Rebsorten Furmint und Hárslevelü (Lindenblättriger) in Trage-Butten (Puttonyos) gelesen und unter geringem Druck zu einem Aszú-Teig aus Hülsen, Saft und Kernen zerquetscht. Der Aszú-Teig (Trockenbeerenmaische) wird mit normal geerntetem Most oder angegorenem Jungwein im ortsüblichen Göncer-Fass (136 Liter) zusammen vergorgen. Die Menge der zum Grundwein beigemischten Trockenbeerenmaische bestimmt die Güteklasse. Auf den Aszú-Etiketten sind daher 3 bis 6 Puttonyos (Anzahl der Butten mit Aszú-Teig je Göncer-Fass) angegeben. Beim sechsbuttigen Aszú ist das Verhältnis Grundwein zu Aszú-Teig etwa ausgeglichen. Ein dreibuttiger Aszú muss mindestens 60g/l, ein vierbuttiger 90g/l, ein fünfbuttiger 120g/l und ein sechsbuttiger 150g/l Restzuckergehalt aufweisen. Nach einer mehrere Monate dauernden Gärung reift der Aszú in der Regel oxidativ (mit Luftkontakt) drei bis acht Jahre im Holzfass. Der alkoholreiche, langlebige Dessertwein zählt zu den am längsten reifenden Weinen. Besonders die sehr hochwertigen fünf- und sechsbuttigen Aszús haben extrem viel Lagerpotential. In herausragenden Jahren wird auch die Premium-Variante Aszú Eszencia produziert, die etwa einem siebenbuttigen Aszú mit mindestens 180g/l Restzuckeranteil entspricht. Die Gärung der extrem langlebigen, edelsüßen Aszú Eszencia dauert jahrelang und wird mit Hilfe einer Spezialhefe in Gang gehalten. Eine einfachere Tokajer-Variante heißt Tokaji Szamorodni (polnisch: wie gewachsen). Der Name bezieht sich darauf, dass die dafür verwendeten edelfaulen Beeren nicht extra ausgelesen werden, sondern das Lesegut des Weingartens zusammen verarbeitet wird, ohne die spezielle Produktionsweise der Aszú-Varianten. Eine Mindestmenge edelfauler Beeren muss aber vorhanden sein. Ein Tokaji Szamorodni muss mindestens zwei Jahre reifen, davon ein Jahr im Holzfass. Es gibt süß (édes) und trocken (száraz) ausgebauten Szamorodni, mit einem Alkoholgehalt von mindestens 13%vol. Der süße Szamorodni (min. 30g/l Restzucker) erinnert an eine schwere Spätlese und der trockene ist als Aperitif geeignet. Bei den süßen Szamorodni-Varianten vergärt der vorhandene Restzucker sehr langsam zu Alkohol, deshalb werden nach einigen Jahren daraus eher trockene Typen. Aszús und Szamorodnis werden traditionell in langhalsige Halbliter-Flaschen gefüllt, oftmals mit einer Banderole in den Nationalfarben Ungarns am Flaschenhals. Als Trinktemperatur ist etwa ein Bereich von 8 bis 12°C passend und angebrochene Aszús schmecken kühl gelagert zumeist noch nach vielen Wochen. Es ist normal, wenn sich im Laufe einer langen Lagerzeit etwas Bodensatz (Depot) bildet und ein alter Tokajer bernsteinfarben ist.